Market leader of aviation mirrors

Der Blick in den Spiegel ist manchmal wirklich eine Warnung. Nein, es ist kein verunglückter Kajalstrich, eine neue Falte oder eine schiefliegende Haarsträhne gemeint. Es geht um die Sicherheit in der Luft. Das Flugzeug gerät plötzlich in Turbulenzen, fängt an zu wackeln, und die Crew beordert die Passagiere an ihre Plätze zurück. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, geben die Flugbegleiter die entsprechende Info in das Bordsystem ein. Und im Waschraum erscheint ein Piktogramm mit dem Hinweis „Return to seat“ – im Spiegel direkt neben dem eigenen Konterfei, das eben noch verschönert wurde.

 

K-Reflexion 070 heißt die Neuheit, die aus einer kleinen Firma aus Barsbüttel stammt und auf der Shortlist für den Crystal Cabin Award steht, einem „Branchen-Oscar“ für Flugzeugkabinen. Hersteller Krüger Aviation ist innerhalb von zehn Jahren seit dem Einstieg in das Segment zum Weltmarktführer für Spiegel in der Luftfahrt aufgestiegen. Rund 12.000 Exemplare liefert das 35-Mitarbeiter-Unternehmen pro Jahr.

 

„Unsere Produkte werden in allen gängigen Flugzeugen eingesetzt – ob Airbus, Boeing, Embraer oder Bombardier“, sagt Geschäftsführer Nils Stoll. Seit vielen Jahren beliefern die Barsbüttler den Zulieferer Diehl, seit Kurzem auch dessen Konkurrenten Zodiac. Damit setzen zwei der drei Schwergewicht der Branche auf die Produkte aus der Metropolregion. In Stolls Worten klingt Optimismus durch, dass der Marktanteil von mindestens 60 bis 65 Prozent noch steigen könnte – auch durch den neuen Star im Sortiment.

 

Hinter dem Spiegel steckt ein Flachbildschirm

 

Stoll steht in einem Nachbau eines Waschraums vor dem K-Reflexion 070. Auf den ersten Blick sieht alles wie ein herkömmlicher Spiegel aus. Doch hinter der zwei Millimeter dicken Polycarbonatscheibe steckt ein Flachbildschirm, der nur im angeschalteten Zustand sichtbar wird. Der Größe des Monitors sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Auch zwei Meter mal 1,50 Meter seien denkbar, sagt Stoll: „Die Kunst ist, dass es keine Verzerrungen gibt.“ Dafür liege das Know-how in der Beschichtung, die natürlich Firmengeheimnis bleibe.

 

Was auf dem Spiegel zu sehen ist, steuert die Crew über das Bordentertainmentsystem. Zum Beispiel lassen sich Flughöhe, Zeit zum Zielort und Reisegeschwindigkeit anzeigen. So wird der Spiegel zum Infozentrum. First-Class-Passagiere im Emirates-A380 haben pro Flug eine halbe Stunde Zeit in der Dusche – der Countdown für den Aufenthalt könnte angezeigt werden. Oder beim Installieren einer Lautsprecheranlage kann auch der Film weiterlaufen, der zuvor im Sitz gesehen wurde.

Auch Werbung könnte auf dem Spiegel erscheinen

 

Für die unter sinkenden Ticketpreisen leidenden Airlines gibt es auch eine lukrative Einnahmemöglichkeit. Sie können Werbung auf dem Schirm schalten, was ansonsten an Bord wegen des durchgestylten Designs der Fluglinien schwierig ist. Beispielsweise läuft beim Händewaschen ein kurzer Clip eines Seifenherstellers. „Nach wenigen Sekunden ist das Corporate Design der Fluglinie wieder ergestellt“, sagt Stoll. Was der Spiegel kostet, will der 37-Jährige nicht verraten. Die Preisabsprachen mit den Zulieferern seien ertraulich. Nur so viel: Der Gesamtpreis liege bei weniger als dem Doppelten eines normalen Spiegels. „Diehl und Zodiac warten jetzt, dass Aufträge von Airlines kommen.“

 

In der zweiten Etage direkt neben Stolls Büro würden sie abgearbeitet werden. Dort befindet sich seit eineinhalb Jahren die Fertigung, nachdem der alte Dachboden entrümpelt und ausgebaut wurde. Eine Halbzeugplatte wird auf die Oberfräse gelegt, die die mehr als 4000 Varianten zurechtschneidet. Denn vom großen Wandspiegel bis zum kleinen Kosmetikspiegel reicht die vielfältige Palette. Die Teile kommen in die Saugstrahlkabine, werden anschließend gereinigt und kommen auf den Teststand. Dort werden die Spiegel bei bis zu 10.000 Lux auf Einschlüsse und Welligkeiten geprüft, anschließend verpackt. Mit der neuen Produktionsstrecke konnte die Herstellungszeit von früher mindestens vier Wochen auf bis zu fünf Werktage gekürzt werden. „Damit sind wir schneller als die Konkurrenz in Amerika“, sagt Stoll. Künftig will er die Fertigungstiefe ausbauen und auch Spiegelwände und -türen herstellen.

 

„Ich finde es wichtig, in kleinen Schritten zu wachsen“, sagt Stoll. 8,5 Millionen Euro erlöste Krüger Aviation 2016. Das war eine Million mehr als im Vorjahr. „In diesem Jahr werden wir zwischen 9,5 und zehn Millionen Euro umsetzen“, sagt Stoll. Das Ergebnis liege „deutlich im positiven Bereich“.

 

Krüger Aviation wurde erst im Januar 2016 gegründet, hat aber dennoch eine lange Tradition. Das Stammhaus gründete Arthur Krüger 1920 in Hamburg als Kunststoffspezialist. 60 Jahre später begann mit der Produktion von Klapptischen und Seitenverkleidungen für Sitze der Einstieg in die Luftfahrt. Auch Lampenabdeckungen, Duschtüren für den First-Class-Bereich oder Staubschutzhauben für Sauerstoffmasken kommen aus Barsbüttel. Im März soll der bestellte 3D-Drucker geliefert werden, mit dem Kabelunterführungen für den A380 gedruckt werden sollen. Mehr als 30 Klebeprozesse und viel handwerkliche Arbeit seien dafür bisher notwendig gewesen.

 

Stoll packt übrigens selbst gern mit an. „Wenn wir Engpässe haben, stehe ich auch selbst in der Produktion“, sagt der gelernte Fluggerätmechaniker, der sich sein kaufmännisches Wissen in Fortbildungen bei seinem früheren Arbeitgeber Lufthansa Technik erwarb. Die Mitarbeiter aus dem Kundenservice oder dem Büro müssten ebenfalls mithelfen. „Bei uns ist Teamspirit gefragt.“

 

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